29.03.24

Gnostisches Christentum - Forum für ein gnostisch-rosenkreuzerisches Christentum - 26. Brief

Briefe zum gnostischen Christentum


 „Kommt und seht selbst!“ (Johannes 1, 39)                                                   München, März 2024

 

26. Brief:   Passah

 Eine seit Urzeiten in der Menschheit verbreitete Vorstellung von der besonderen Wirksamkeit eines Opfers war und ist, dass das Blut bestimmter „unschuldiger“, „reiner“ Tiere, vor allem von Lämmern, Rindern oder Tauben, von den Opfernden eingeatmet wird und dafür sorgt, dass deren unreines Blut  durch das reinere Blut der Tiere gereinigt wird. Das selbe gilt vom Essen des Opferfleisches solcher Tiere: Deren Fleisch ist sozusagen unschuldiger und reiner als das Fleisch des eigenwilligen, Gott ungehorsamen Menschen, und kann dadurch, dass es gegessen wird, auch das menschliche Fleisch in einen reineren Zustand erheben. Die ein solches reines Tier Opfernden und deren Fleisch und Blut aufnehmenden Menschen würden eher von den Göttern oder Gott angenommen werden. Deshalb kommen und kamen die aggressiven Raubtiere als Opfertiere nicht in Frage. Für die Teilnehmer an solchen Opfern war das Blut des Opfertieres ein reinigendes Elixier und dessen Fleisch eine reinigende Substanz.

 

Jesus hatte mit seinen Schülern vor Ostern das Passahmahl gefeiert und selbst Wein und Brot zu sich genommen. Zugleich aber hatte er sich selbst als Passahlamm betrachtet, wie das Neue Testament berichtet. Als er mit seinen Schülern das Passahfest feierte, sagte er: „Nehmt, esst! Das ist mein Leib.“ Und er nahm den Kelch und sagte: „Trinkt alle daraus! Denn das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Matthäus 26, 26-28; ähnlich Markus 14, 22-24; Lukas 22, 17-20). Diese Vorstellung ging auf ein Ereignis zurück, das die Israeliten einst erlebt hatten.

Am Tag vor dem Auszug aus Ägypten, Symbol für das Land der  Knechtschaft Israels, weist Gott alle israelitischen Familien an, ein Lamm zu opfern und mit dessen Blut den Türrahmen ihrer Wohnung zu bestreichen – der Türrahmen ist ein Symbol für die äußere Form ihres Körpers. Dann werde der Todesengel, der in dieser Nacht jede Erstgeburt der Ägypter, im Vollzug der 10. und letzten „Plage“, holen wird, an den Familien der Israeliten vorübergehen, und diese würden unbehelligt aus Ägypten ausziehen können.

Das Blut eines unschuldigen Lammes hatte damals das Innere des Volkes Gottes so sehr gereinigt, dass der Todesengel an jeder israelitischen Familie vorübergehen konnte. Mit anderen Worten: dass der Zustand jeder Familie vor der Gewalt des irdischen Pharao geschützt wurde und alle Israeliten lebend das Land der Knechtschaft verlassen konnten.

Diese Israeliten würden dann durch die Wüste der Entbehrungen, die ein geistiger Weg mit sich bringt, gehen müssen, um das ihnen verheißene Land, einen geistig-seelischen Zustand der Unsterblichkeit, sogar einen unsterblichen geistigen Leib, zu erreichen.

Wenn sich Jesus mit diesem Opferlamm identifizierte, so heißt das, dass er, so unschuldig wie das historische Opferlamm, bewusst sein „Fleisch und Blut“ für das „auserwählte Volk“, das sind in seinem Fall seine Schüler, opfern würde. Dann können sie wegen ihres gereinigten „Blutes und Fleisches“ den geistigen Weg durch die „Wüste“ bis zum Zustand der Vollkommenheit im von Gott "verheißenen Land" gehen, in dem "Milch und Honig" fließen: die unvergänglichen göttlichen Kräfte.

Beim letzten Mahl mit seinen Schülern zeigt Jesus ihnen bildlich, was durch ihn für sie geschehen wird. Wenn sie den „Wein“: das ist sein „Blut“, trinken, seine reine Seelenenergie; und das „Brot“ essen: das ist sein „Leib“, seine reine Körpersubstanz; werden sie innerlich in einen Zustand gelangen, der ihnen den geistigen Weg ermöglicht und Unsterblichkeit verleiht. Voraussetzung ist, dass sie vorher „ungesäuertes Brot“ essen (Matthäus 26, 17), wie seinerzeit die Israeliten vor dem Auszug aus Ägypten. „Ungesäuertes Brot“ gegessen zu haben, heißt, in den Zustand der Buße eingetreten zu sein, den Johannes der Täufer, der "Rufer in der Wüste" und Vorläufer von Jesus, von seinen Zuhörern verlangt hatte. „Brot“ ohne Sauerteig ist „reines Brot“, ohne die „Säure“, die das Brot „unrein macht“. Im übertragenen Sinn heißt das, die Seele, „das Brot“ ist durch die Buße Johannes des Täufers schuldenfrei geworden.

In diesem Sinn spricht Paulus seine Schüler in Korinth im 1. Korintherbrief, Kapitel 5, 7, an: „Ihr seid ja schon ungesäuertes Brot, denn als unser Passahlamm ist Christus geopfert worden.“

Und der Verfasser des Briefes an die „Hebräer“, das ist eine Bezeichnung für die Israeliten, schreibt Kap 9, 11-14: „Christus aber, der als Hohepriester der zukünftigen Güter kam … ist nicht durch Blut von Böcken und Kälbern, vielmehr durch sein eigenes Blut einmal in das Heiligtum hineingegangen und hat eine ewige Erlösung erlangt. Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren … die Befleckten heiligt zur Reinheit des Fleisches, um wie viel mehr wird das Blut Christi, der durch den ewigen Geist sich selbst makellos Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von toten Werken, so dass wir dem lebendigen Gott dienen.“

 

Hier wird zum wiederholten Mal deutlich, dass viele Vorgänge aus dem Alten Testament Ereignisse im Neuen Testament “präfigurieren“, das bedeutet, dass sie auf einer niedrigeren Ebene der Reinigung (durch das Jahwegesetz) die Befreiung durch Christus, den Sohn des Elohim-Gottes, vorwegnehmen.

Die sogenannte Opferung Isaaks durch Abraham auf dem Berg Moria (1. Mose 22) war das Vorbild für diesen Vorgang. Dem Abraham war von Jahwe befohlen worden, seinen so lang ersehnten Sohn Isaak, den ihm Jahwe schließlich doch noch geschenkt hatte, zu opfern. Wer oder was ist „Isaak“? Was ist in übertragenem Sinn der „Sohn“ eines Menschen? Sein natürliches, animalisches Ich. Abraham sollte Gott sein animalisches Ich opfern. Aber was wäre für Abraham durch ein gewaltsames Opfer seines Ichs gewonnen gewesen? Zu allen Zeiten hat der Mensch versucht, sein eigensüchtiges Ich mit Gewalt und Askese zu opfern. Das hat immer nur dazu geführt, dass es durch Widerstand noch stärker oder ganz zerstört wurde. Es kommt und kam auch damals nur auf die Bereitschaft des Menschen an, sein eigenwilliges Ich zu opfern. Wenn diese Bereitschaft gegeben ist, zeigt Gott dem Menschen einen Weg, wie er sein Ich erhalten, und dennoch dessen animalische Eigenschaften – heute würden wir sagen: „sein egoistisches Gen“ – opfern kann. Auf diese Weise entsteht schließlich ein seelisches, selbstverantwortliches Ich.

Gott zeigt daher dem Abraham, nachdem dieser seine Bereitschaft zum Opfer bekundet hatte, einen Widder, der sich abseits im Gesträuch verfangen hatte, und lässt Abraham den Widder an Stelle des schuldigen, animalischen Ichs schlachten. Der Widder ist ein männliches Lamm, ein unschuldiges Lamm im Vergleich zum schuldigen animalischen Ich des Menschen. Und dadurch wurde, da Abraham seine Bereitschaft zum Opfer seines animalischen Ichs bewiesen hatte, doch sein seelisches Ich erhalten. Denn das dem Jahwe-Gott treue Ich wurde durch das „unschuldige“ Blut des Widders „ent-schuldigt“, der an seiner Stelle geopfert wurde, und durfte am Leben bleiben. Die Bereitwilligkeit Abrahams zum Opfer seines animalischen Ichs genügte Gott schon. Diese Bereitwilligkeit ist das Entscheidende, auch für den heutigen Menschen.

Diese Geschichte des Alten Testaments ist also ein Vorgriff auf das Neue Testament. Denn im Neuen Testament ersetzt Jesus als unschuldiges Lamm (im alten Testament ist das der Widder) die alten, animalischen Eigenschaften des Ichs durch das reine Blut eines Passahlamms – er selbst ist dieses Passahlamm. So bleibt das Ich erhalten, aber seine unreinen animalischen Eigenschaften werden durch das reine Blut des Lammes, des Jesus im Menschen, beseitigt. Kein Mensch wäre fähig, die unreinen, animalischen Eigenschaften des Ichs aus eigener Kraft zu verlieren, um das neue Seelenwesen, das neue Ich, zu finden, auch wenn er noch so bereit zum Opfer wäre. Nur der innere Jesus – der Widder ist das Symbol für ihn – kann das vollbringen.

Wenn es im Alten Testament heißt, Gott habe mit diesem Befehl den Gehorsam Abrahams „prüfen“ wollen (1.Mose 22, 1), so wird damit nur die Notwendigkeit angesprochen, dass der Mensch, der einen geistigen Weg gehen will, bereit ist, sein animalisches Ich zu opfern. Doch, wie gesagt, diese Bereitschaft für sich allein reicht noch nicht aus. Sie allein würde lediglich dazu führen, dass der Mensch unter Umständen das "schuldige" animalische Ich durch Askese oder Gewaltanwendung auszulöschen versucht. Das würde jedoch das animalische Ich durch seinen Widerstand gegen solche Maßnahmen nur noch stärker machen. Gott wird daher, weil ihm die Erlösung des Menschen am Herzen liegt, dafür sorgen, dass sich ein unschuldiges Lamm (oder Widder) – nämlich Jesus – als Ersatz findet, das sich an Stelle des animalischen Ichs opfert und dem Menschen Abraham den geistigen Weg überhaupt ermöglicht. Aber die Bereitschaft zum Opfer des Ichs muss als Voraussetzung gegeben sein. „Wer sein Leben des biologisch-animalischen Ichs verliert um meinetwillen – das heißt um Jesu willen –, der wird es, das wahre Leben (des Seelen-Ichs), finden“ (Matthäus 16, 25).

Jesus sah sich kurz vor Ostern als ein solches Passahlamm. Das „Brot“, das er seinen Schülern beim letzten Abendmahl austeilte, war sein „Leib“, der Leib des Passahlamms, der den Schülern eine neue, reine Seelensubstanz geben sollte. Der „Wein“ war das „Blut“ des Passahlamms, die neue Seelenenergie, welche die alte, irdische Seelenenergie der Schüler ersetzen sollte. Beides, Seelensubstanz und Seelenenergie, waren und sind die Mittel, durch die Jesus, der aus neuer Seelensubstanz und Seelenenergie lebte, seinen Schülern beim Abendmahl austeilte. Auf dieser Grundlage würden sie, wie der Meister selbst, ihren geistigen Weg bis zur Auferstehung weitergehen können.

Und wenn man bedenkt, dass sich nach der Auferstehung Jesu sein „Blut“ als reine Seelenenergie, und sein „Leib“ als reine Seelensubstanz in den feinstofflichen Gebieten der ganzen Erde  ausgebreitet haben, wird deutlich, dass das Opfer dieses „Passahlamms“ nicht nur den Auszug aus „Ägypten“ für alle Menschen ermöglicht, sondern auch den Durchzug durch die „Wüste“ und den Einzug ins „Verheißene Land“, das Symbol der Unsterblichkeit des Menschen.

Damit gewinnen die Symbole „Brot“ und „Wein“ des Abendmahl-Rituals eine weit umfassendere Bedeutung, als nur ein Gedächtnismahl zu sein. Wenn Jesus zu seinen Schülern sagt: "Dieses Brot  ist mein Leib", und "dieser Wein ist mein Blut", so sind "Brot" und "Wein" lebendige "Substanzen" seines Auferstehungsleibes, die nach dem Tod seines sterblichen Körpers als feinstoffliche Energien das Lebensfeld der ganzen Menschheit als unvergängliche Kraftfelder durchziehen und von dafür offenen Seelen jederzeit aufgenommen werden können. Sie sind im feinstofflichen Mantel der Erde aufgehoben und stehen jedem, der wie Abraham zur "Opferung" seines eigenwilligen biologischen Ichs bereit ist, zur Verfügung. Dazu bedarf es keiner symbolischen Feier. Jedes Mal, wenn sich ein Mensch irgend einer Religion für diese neue Seelensubstanz und Seelenenergie Jesu öffnet, nimmt er Nahrung für seinen geistigen Weg auf.

Luther hatte darauf bestanden, dass „Brot“ und „Wein“ nicht nur Symbole seien. Sie sollten real der Leib und das Blut Jesu sein. Zwingli wollte statt dessen, dass „Brot“ und „Wein“ nur als Symbole aufgefasst würden. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Reformatoren bedeutete einen großen Rückschlag für die Sache der Reformation. Aber wenn eingesehen wird, dass „Brot“ und „Wein“ sowohl Symbole als auch reale Seelensubstanzen und -energien sind, die überall auf der Welt für empfängliche Seelen zur Verfügung stehen, wird dieser Streit gegenstandslos. Luthers Auffassung wird erweitert, und Zwinglis Auffassung wird bestätigt. Andererseits wird die Auffassung des Katholizismus, dass der gewöhnliche Gläubige nur die Hostie als Sinnbild für den „Leib“ Jesu, und nur ein geweihter Priester, der schon einen Schritt weiter auf dem geistigen Weg gegangen ist, auch den Wein als Sinnbild für das „Blut“ Jesu aufnehmen dürfe – diese Auffassung wird, angesichts der Tatsache, dass Brot“ und „Wein“ unbegrenzt in allen feinstofflichen Gebieten der Erde und damit auch jedem dafür offenen Herzen zur Verfügung stehen, entkräftet.

Denn jeder Gläubige, auch jeder für die Abendmahlskräfte Jesu überhaupt empfängliche Mensch, hat jederzeit Zugang dazu, wenn er die dazu notwendige Offenheit besitzt. Keine Autorität, sei es die eines katholischen Priesters, sei es die einer nichtchristlichen Religionsgemeinschaft, sei es überhaupt einer Gemeinschaft, hat das Recht, ihm den Zugang zu verwehren oder irgend einen Druck auf ihn auszuüben. Der Zugang hängt lediglich vom einzelnen Menschen und seiner Offenheit ab, diese Substanzen und Energien zu empfangen. In welcher Gemeinschaft er auch aufgewachsen sein mag – seine Beziehung zur göttlichen Welt hängt nur von dem Zustand der eigenen Seele ab, auch wenn er gar keine Vorstellungen von der göttlichen Welt haben sollte.

 

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